Der Tod der blauen Blume (German Edition) by Hill Roxann

Der Tod der blauen Blume (German Edition) by Hill Roxann

Autor:Hill, Roxann [Hill, Roxann]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Amazon Publishing
veröffentlicht: 2015-01-20T23:00:00+00:00


40

Chris schlief tief und fest. Anfänglich hatte er gehustet und mitunter gestöhnt. Dann war sein Atem ruhiger und gleichmäßiger geworden.

Zunächst hatte ich neben ihm auf dem Bett gesessen und ihn beobachtet. Als ich sicher war, dass es ihm besser ging, kehrte ich ins Wohnzimmer zurück. Ich brühte mir einen Tee auf, nahm mir das letzte Brötchen, das vom Frühstück übrig war, und kehrte zum Laptop zurück. Draußen war es inzwischen dunkel geworden. Selbst der Verkehr schien müde. Nächtliche Stille zog in die Wohnung ein.

Ich fuhr das Notebook wieder hoch. Miriams Foto in ihrem Pass. Vielleicht vier oder fünf Jahre alt. Ein hübsches Kind. Gut angezogen. Der Ausdruck ihrer Augen passte nicht zu ihrem Alter. Sie hatte bereits Angst, wusste von der Gefahr, die auf sie lauerte.

Miriam mit vierzehn. Das leicht unscharfe Bild aus der Zeitung. Das billige Papier verblichen. Ein großes, dünnes Mädchen. Immer noch die gleichen hellen Haare, der Gesichtsausdruck betont fröhlich. Was hatte sie dazwischen erlebt? Den Tod ihrer Geschwister, ihrer Eltern und dann … quasi die Errettung durch den Freund ihres Vaters. Wie hatte sie es nur geschafft, über all die Jahre hinweg so freundlich und offen zu bleiben? Warum hatte sie das Schicksal nicht verhärmt und gebrochen zurückgelassen?

Ich dachte an die wenigen Stunden, die wir zusammen verbracht hatten. Welch eine Fröhlichkeit, welch eine Energie hatte sie ausgestrahlt! Und sie hatte ihre Heimat geliebt. Das Land, das ihr alles genommen hatte. Sie hatte versucht, diese Liebe an mich weiterzugeben. Die Liebe zur Literatur sollte mich mit all dem versöhnen, was mir widerfahren war.

Ich schloss die Augen.

Das Rauschen der Wellen drang zu mir. Unter meinen bloßen Füßen spürte ich das harte Gras, auf dem unsere Tiere weideten. Ich roch den unvergleichlichen Duft des Halligflieders. Die Sonne blendete mich. Ich legte die Hand schützend über die Augen und blickte hinauf zu unserem Haus. Aus dem Stall drangen Geräusche. Meine Großmutter war bei der Arbeit.

Hastig ging ich hinauf, blieb ein paar Meter vor der Stalltür stehen. Aus dem Dunkel vor mir trat eine Frau. Sie schob einen Schubkarren, über und über bedeckt mit Heu. Ihre langen weißen Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten. Sie bemerkte mich nicht, sondern hielt ihren Kopf gesenkt. Sie fuhr bis nah an mich heran, verharrte und sah zu mir auf. Zahlreiche Runzeln, zahlreiche Falten, ein prüfender, fast vorwurfsvoller Blick. Die Augen von dem durchdringenden Blau eines Sommerhimmels.

»Alicia«, sagte sie, »wo warst du so lange?«

Ich schreckte auf und wischte mir das Haar aus der Stirn. Ich würde Miriam nicht enttäuschen, wie damals, als ich … Diesmal würde ich alles richtig machen.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.